Begegnungen
Romanus Kreilinger in der Reihe „Wort zum Sonntag“ Schwäbische Post
In der Flüchtlingsunterkunft kommt ein afrikanischer Mann auf mich zu und in meinem Kopf rattert es: „Hoffentlich spricht er Englisch, dann verstehe ich wenigstens etwas…“ In Französisch wäre ich nämlich völlig blank. Dann kommt ein freundliches „Grüß Gott“ in bestem Schwäbisch.
Beim Straßenfest begegne ich einem, an der Kleidung und Kopfbedeckung erkennbar, muslimischen Paar. Wieder das Rattern: „Wie grüße ich?“ Da streckt mir die Frau schon von weitem die Hand entgegen: „Schön, dass sie auch da sind“.
Immer wieder ertappe ich mich, wie ich trotz vieler Erfahrungen und Bemühungen Schubladen öffne, um Menschen darin einzusortieren – glücklicherweise schließe ich die Schubladen nicht mehr.
Erinnert an diese Begegnungen hat mich das Evangelium des 3. Fastensonntags. Jesus begegnet am Jakobsbrunnen einer samaritischen Frau und bittet sie um Wasser. Die Frau reagiert höchst verwundert und kann mit der Frage zunächst gar nichts anfangen. Sie ist es gewohnt, in Schubladen gesteckt zu werden.
Eine Frau allein um die Mittagszeit am Brunnen war ein Zeichen für Ausgestoßen Sein von der Dorfgemeinschaft – Frauen gingen morgens gemeinsam zum Brunnen, um sich gegenseitig zu schützen. Und dann auch noch von einem Mann angesprochen zu werden, von einem jüdischen Rabbiner, der Frauen und andersgläubige Samariter sonst nicht einmal ansehen durfte. Das war für die Frau zu viel der Freiheit und Beachtung.
Aber Jesus steckt Menschen in keine Schubladen und hat keine Vorurteile.
Er nimmt die Menschen, denen er begegnet ganz unbefangen wahr und segnet sie – in Gedanken, mit einem Lächeln, mit einem freundlichen Wort.
Ich werde mich bemühen zukünftig noch unbefangener Menschen zu begegnen, sie mit einem Lächeln, mit einem freundlichen Wort „segnen“. Also gut von ihnen sprechen, denken.
Eine gute Übung für die Fastenzeit und darüber hinaus – für uns alle.