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Foto (Schwenk):Sabine Baumann und Dr. Harry Jungbauer

Manchmal geht der Samen auf

Sibylle Schwenk in der Reihe „kreuz und quer“ der Remszeitung

Kinder haben viele Fragen. Und spätestens dann, wenn es um christliche Feste wie Ostern oder Weihnachten geht, werden auch Kinder, die in einer Familie aufwachsen, wo Glaube und Christsein keine Rolle mehr spielt, nachfragen. Wer ist denn dieser Gott? Warum sind die großen Feste an ihm ausgerichtet oder durch ihn entstanden? Was haben Traditionen mit Gott zu tun? Darüber, und wie es der Religionsunterricht schaffen kann, dass Kinder sich für den Glauben öffnen, haben wir mit Sabine Baumann, Leiterin der katholischen Franziskus-Grundschule Schwäbisch Gmünd, und mit dem evangelischen Schuldekan, Dr. Harry Jungbauer, gesprochen,

Glaube spielt in Familien immer weniger eine Rolle. Warum ist das so?

Sabine Baumann: Sehr viele Menschen sind gläubiger, als wir es meinen und es wahrgenommen wird! Ich denke, dass es eher keine Sprache mehr gibt für den Glauben, dass es Menschen zunehmend schwerfällt, ihren Glauben in Worte zu fassen. Früher gab es klare Strukturen, die Richtungen vorgaben, auch im Gebet, das fällt jetzt weg. Neues darf entdeckt werden.

Dr. Harry Jungbauer: Es gibt schon immer noch Familien, wo christliche Traditionen gelebt werden, zum Beispiel habe ich das immer wieder bei Konfirmanden erlebt. Dort, wo die Selbstverständlichkeit von Traditionen grundsätzlich in Frage gestellt wird, wird es schwierig. Aber die Sehnsucht nach Glauben ist da und auch Glaubensmomente sind spürbar.

Wie schaffen Sie es, die sicher großen Unterschiede innerhalb der Klasse zusammenzubringen?

Jungbauer: In der Tat ist der Wissensstand sehr unterschiedlich. Manche wissen gar nicht mehr, wer Jesus ist. Ich versuche, das „Basiswissen“ zu stärken und die Schülerinnen und Schüler, die Kenntnisse mitbringen, es mit ihren Worten erklären zu lassen.

Baumann: Das muss ich mich in jedem Fach fragen! Ich überlege mir, wie jede und jeder seine Erfahrungen einbringen kann, und wir gemeinsam unterwegs sein können. Ich finde es wertvoll, die unterschiedlichen Voraussetzungen zusammenzuführen.

Sind Kinder eher offen oder ganz verschlossen, wenn es um Glauben, Gebet oder Traditionen geht?

Baumann: Kinder, die eher zurückhaltend sind, dürsten regelrecht nach diesen Themen. Als Reli-Lehrerin kann ich den Kindern ganz anders begegnen, als zum Beispiel in Mathe. Deshalb öffnen sie sich in Reli mehr, als in anderen Fächern. Ich sehe in den Kindern auch eine große Chance, dass sie ihre Eltern wieder mitnehmen auf den Glaubensweg.

Jungbauer: Das sehe ich genauso. Viele Kinder und Jugendliche, die sich bewusst für Reli entschieden haben, sind mit großem Interesse dabei. Das ist immer noch eine große Mehrheit. Andere melden sich, wenn sie es können, vom Reli-Unterricht ab.

Beeinflusst der Reli-Unterricht auch das Verhalten der Kinder, zu Hause und im Schulalltag?

Jungbauer: Die Fachschaft Religion kann das das Klima an der Schule insgesamt beeinflussen, indem zum Beispiel Schülergottesdienste, eine Taizé-Fahrt oder ein Meditationsraum in der Schule angeboten werden. Manchmal ist es schon auch so, dass man sich mit den Schulleitungen und Lehrerkollegien auseinandersetzen muss, weil sie angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen ein starkes christliches Engagement für unpassend halten.

 

Baumann: Es bringt nichts, Reli zu unterrichten, ohne die Grundsätze dann auch zu leben. Wir haben die Chance, eine neue Sichtweise, zum Beispiel in Konfliktsituationen, mitzugeben. Und manchmal haben wir tatsächlich das Glück, dass der gelegte Samen aufgeht.

Jungbauer: Kinder lernen und werden geprägt von der Haltung des Lehrers oder der Lehrerin. Das wirkt oft viel mehr als ein Tafelanschrieb.

Wie können Kinder das Unfassbare, den Glauben, begreifen? Welche Methode wenden Sie da an?

Jungbauer: Ich versuche, ganz greifbare Dinge einzubauen. Zum Beispiel benutze ich einen Meterstab als Zeitstrahl, damit Kinder einordnen können, wann Luther gelebt hat. Vor oder nach der Oma? Dann fördere ich das empathische Verhalten der Kinder, arbeite in Kleingruppen. Wir lassen Kirchenräume im pädagogischen Spiel auf die Kinder wirken. Ich spreche mit Kindern auf ihrer Ebene über den Glauben, denn sie machen sich durchaus Gedanken über das Unfassbare. Dabei muss man besonders darauf achten, dass Glaubensgeschichten nicht in Richtung Fiktion, also Märchen oder Fabel, abrutschen.

Baumann: Mit Bildmeditationen oder das Gespräch über ein Lied, mit Geschichten aus der Bibel, die nachgespielt werden. Dann sind die Kinder in der Situation und können besser verstehen wie es sich anfühlt, wenn zum Beispiel jemand am Boden liegt. Kinder spüren auch, ob man sich als Lehrerin gut auskennt und selbst von der Botschaft Gottes ergriffen ist, in die Geschichte blicken kann. Ich selbst bin auch für eine große Ehrlichkeit. Wenn wir Kinder bewusst an Weihnachten anschwindeln, dass das Christkind die Geschenke unter den Baum gelegt hat, wie wollen wir sie dann ernsthaft begleiten auf ihrem Weg des Glaubens?