
Glauben auf Social media
Sibylle Schwenk in der Reihe „kreuz und quer“ der Remszeitung
Mit Kirche und Glauben verbinden viele Menschen das Festhalten an Traditionen. Das Swipen für den nächsten Post auf Instagram gehört eher nicht in das Bild der Glaubensvermittlung, der Diskussion über Werte oder Glaubensbekenntnisse. Doch die Bedeutung von Social media wird generationenübergreifend immer größer. Es gibt christliche Influencer, Menschen, die ihren Glauben auf den Kanälen teilen, man kann dort beten und über Gott und der Welt bei meditativer Musik nachdenken. Das Smartphone ist insofern ein einflussreicher Begleiter für die eigene Spiritualität geworden. Wie schätzen das die beiden kirchlichen Mitarbeitenden, Verena Zauner vom katholischen Dekanat Ostalb und Maik-Andres Schwarz, evangelischer Pfarrer aus Schwäbisch Gmünd und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni Bonn, ein?
Habt ihr schon selbst gute Erfahrungen mit Posts gemacht, die zum Nachdenken über den Glauben anregen?
Zauner: Ja, das fing bei mir tatsächlich in der Corona-Zeit an. Da war Instagram meine Hauptnutzungsquelle und ich merkte: diese Accounts, die etwas Spirituelles bieten, die tun mir gut. Jetzt bin ich und wir in den Jugendreferaten hauptsächlich kirchenpolitisch unterwegs.
Schwarz: Mittlerweile gibt es richtig gute Formate, die mir sehr gut gefallen. Zum Beispiel moderne Tageszeiten-Gebete auf Apps oder in Podcasts. Hier geht es auch oft um Achtsamkeit, um eine Unterbrechung des Alltags. Ich finde es auch spannend, Menschen auf Social media zu erleben und wie sie zu ihrem Glauben stehen.
Worauf muss man achten, wenn man einem entsprechenden Influencer / einem Kanal folgt?
Schwarz: Kanäle zu suchen, die einem guttun und einen inspirieren. Es gibt eine Radikalisierung bei den Influencern und man lässt sich leicht von einer modernen Inszenierung oder einer ansprechenden Aufmachung begeistern. Dahinter stecken nicht selten populistische Gesinnungen, ein schräges Frauenbild oder Ausländerfeindlichkeit. Was zuerst nach einem harmlosen Post aussieht, ist in Wirklichkeit politische Beeinflussung. Zudem streuen Algorithmen ganz bewusst Reizthemen. Das muss einem schon klar sein.
Zauner: Ich bin manchmal schon geschockt, welchen Influencer:innen unsere Jugendlichen folgen. Sie lassen sich durch eine gute, optische Aufmachung blenden. Man muss echt aufpassen und wachsam sein, wo es einem selbst zu weit geht und das für sich rausziehen, was zu den eigenen Werten und zum eigenen Glauben passt.
Was sind die Gefahren/Risiken, wenn Glaube nur noch auf Social media stattfindet?
Zauner: Social media konsumiert man alleine. Wir erleben aber in unseren Veranstaltungen immer wieder, wie cool es die Jugendlichen finden, dass sie sich in „echt“ begegnet sind. Jugendliche hängen eh schon viel am Handy. Die Gefahr ist, dass wir das noch fördern.
Schwarz: Es ist ein fließender Übergang zwischen analog und digital. Face-to-Face-Begegnungen sind deshalb so wertvoll, weil man sich selbst in der Gruppe erfahren kann. Wir erleben zum Beispiel, dass unsere Konfirmanden von einfachen Begegnungsspielen so richtig begeistert sind. Aber auch ein tolles Reel auf Instagram oder ein Post auf Snapchat vom Konfi-Wochenende stärkt in gewisser Weise die Gemeinschaft.
Müssen sich die christlichen Kirchen vor Ort noch mehr auf Social media engagieren, damit man die junge Generation erreicht?
Schwarz: Auf jeden Fall. Man muss zwar Zeit und Geld investieren, um einen guten Auftritt hinzubekommen. Wir müssen uns aber darüber klar sein, dass auch viele ältere User die Inhalte zunehmend auf Social media suchen. Für viele gilt: Was es online nicht gibt, existiert nicht. Es macht auch Spaß zu experimentieren: Impulse auf Instagram oder in einer App, Predigten, die über WhatsApp gestreut werden. Wir sollten dennoch beides im Blick haben: die Begleitung der Menschen analog und digital.
Zauner: Als Jugendreferate sind wir auf Insta unterwegs, auch politisch, und geben dort einen Einblick in unsere Arbeit. Wir posten emotional, menschlich und authentisch. Und ja, ich bin schon der Meinung, dass Kirche sich noch mehr auf Social media präsentieren sollte. Einfach auch deshalb, dass wir den anderen, denen mit populistischen und menschenverachtenden Inhalten nicht einfach das Feld überlassen!