Musik baut Brücken von Mensch zu Gott
Sibylle Schwenk
Jetzt wehen sie wieder: die weißen Banner mit blauer Schrift „Festival Europäische Kirchenmusik Schwäbisch Gmünd“. Die Kirchen Gmünds werden zu Konzertsälen, die Musik baut Brücken von Mensch zu Mensch, vielleicht auch von Mensch zu Gott und umgekehrt. Die Musik, sie gibt ihre „Sichtweise“ zum Thema „Freiheit“ preis, dem diesjährigen Motto des Festivals. „Es ist aktueller denn je“, sagt Klaus Stemmler. Der Intendant des Festivals ist von dieser besonderen Kraft der Musik überzeugt. Musik kann Menschen anders berühren, sie kann aufrütteln, nachdenklich machen, vielleicht sogar das Handeln beeinflussen. Und: Sie ist einfach schön. Nicht nur deshalb freut sich Klaus Stemmler auf die nächsten Wochen. Die echo-Redaktion hat mit ihm im Vorfeld darüber gesprochen:
Lieber Herr Stemmler, sie waren 20 Jahre lang bei den Rottenburger Domsingknaben, haben Musikwissenschaften, Germanistik und Sinologie studiert. Ist ihre Aufgabe als Intendant des Festivals Ihr Traumjob?
Klaus Stemmler: Ja, das kann man durchaus sagen. Ich habe bei den Domsingknaben so viel über die Musik und das Leben gelernt, auch, wie es sich gegenseitig beeinflusst und bereichert. Und genau das kann ich im Festival umsetzen. Wir möchten mit der Musik die Menschen zu berühren, Sichtweisen aufmachen.
Das Motto des diesjährigen Festivals lautet „Freiheit“…
Stemmler: Damit sind wir aktueller denn je. In den Konzerten können die Besucherinnen und Besucher erfahren, was Freiheit in der Musik bedeutet, wie sie damit umgeht und wie die Kunst sie interpretiert. Sicher ist auch im einen oder anderen Konzert der Gedanke hörbar: Wo ist Freiheit in Gefahr?
Welche Rolle spielen die Kirchen beim Festival?
Stemmler: Eine sehr bedeutende! Wir haben hier in Schwäbisch Gmünd großartige Kirchen, von der romanischen Johanniskirche bis zum modernen Kirchenbau im Kloster der Franziskanerinnen. Diese bieten ganz unterschiedliche Klangräume. Wir versuchen für jeden Künstler, jede Künstlerin den passenden Kirchenraum zu finden.
Schaffen es die Konzerte in ihrer vielseitigen Anlage, dass auch Menschen, die schon lange keinen Fuß mehr in eine Kirche gesetzt haben, wiederkommen und Spiritualität neu erleben?
Stemmler: Auf jeden Fall! Die Musik hat auf die Menschen eine extrem starke Wirkung. Musik zu hören und sich darauf einzulassen, ist ein reiches Erlebnis. Durch das Motto nehmen wir Bezug auf die aktuelle Situation der Menschen, Themen, die existentiell wichtig sind. Also zum Beispiel „Leben und Tod“, die Sinnfrage oder der Wunsch nach einem (guten) Zusammenleben.
Bei aller Einzigartigkeit der Konzerte und bei allen Besonderheiten achten Sie als Intendant doch auch immer darauf, dass der Kirchenraum gewürdigt wird…
Stemmler: Natürlich tun wir das. Vier Wochen lang sind wir mit unserem Equipment in den Kirchen präsent. Anfangs wurden wir manchmal als den Normalbetrieb störend empfunden. Inzwischen entdeckt man wieder, dass das Festival, die Musik, Brücken baut. Auch die Tatsache, dass man als Gemeinschaft Musik hört, spielt dabei eine große Rolle. Ich bin auch sehr dankbar, dass die Zusammenarbeit mit den katholischen und evangelischen Kirchen so gut klappt. Das ist ein echter Mehrwert!
Sie haben als Intendant die Gesamtverantwortung organisatorisch und inhaltlich. Wie sieht ihr Arbeitsfeld genau aus?
Stemmler: Das wechselt immer wieder. Das Festival ist ein lebendiger Organismus. Mein Arbeitsfeld reicht von der Gremienarbeit über die Gewinnung von Sponsoren, die Zusammenarbeit mit den Ämtern und mit den Künstlern, bis hin zur Auswahl des Programms mit dem Festival-Direktorium. Ich möchte hier besonders auch die wertvolle Arbeit unseres Freundeskreises hervorheben, der zu einem unverzichtbaren Bestandteil in der Begleitung der Festival-Wochen geworden ist.
Sie sind bereits seit 25 Jahren im Dienst des Festivals, seit 1999 als Geschäftsführer, seit 2013 dann als Intendant. Was gefällt Ihnen persönlich während des Festivals am besten?
Stemmler: Immer wieder gibt es Überraschungen, die mich einfach freuen. Ensembles, die ein tolles Konzert geben, ein junger Künstler, der hier entdeckt wird und dann eine tolle Karriere hinlegt, eine Predigt bei einem der Gottesdienste, ein Sponsor, der begeistert ist oder eine Konzertbesucherin, die so überwältigt ist von einem Konzert, dass sie erst einmal eine Pause braucht, und das nachfolgende gar nicht besuchen kann…
Verraten Sie uns noch einen richtigen Flop beim Festival?
Stemmler (lacht): Wir hatten einmal das Weihnachtsoratorium von Bach mit drei Teilen im Programm. Das wollte im Sommer tatsächlich keiner hören…
Und ihr Geheimtipp für „Freiheit“ 2024?
Stemmler: Am 18.07.24 kommt um 20.00 Uhr das SWR-Vokalensemble in die Augustinuskirche mit Hebräischer Chormusik. Und am 27.07.24 findet um 20.00 Uhr im Heilig-Kreuz-Münster ein interessantes Konzert mit Sebastian Koch und Orchester Beethoven über Goethes „Egmont“ statt.
Vielen Dank für das Gespräch!
Tickets:
i-Punkt Schwäbisch Gmünd
Telefon: 07171-6034250
www.kirchenmusik-festival.de