Auf Sinnsuche bei Arbeit und Studium
Sibylle Schwenk in der Reihe „kreuz und quer“ der Remszeitung
Psychische Erkrankungen gehören zu den zweithäufigsten Ursachen von Krankschreibungen. Depressionen, Angst- und Belastungsstörungen nehmen stetig zu. Das Thema „Burnout“ treibt die Menschen, oft auch junge Menschen um, weil der Arbeits- oder Studienplatz ein so wichtiger Faktor in Sachen psychischer Gesundheit ist. Welche Umstände sind für junge Menschen wichtig, damit sie ihre Arbeit, ihre Ausbildung, ihr Studium gut meistern können? Warum tun sie sich schwer, einen für sie sinnerfüllten Beruf zu finden und kann der christliche Glaube in irgendeiner Form Halt und Zuversicht geben? Ein Gespräch mit der Katholischen Betriebsseelsorgerin Karolina Tomanek und der evangelischen Diakonin Elisabeth Burmeister.
Was suchen junge Menschen am meisten an ihrem Arbeitsplatz?
Elisabeth Burmeister: Junge Menschen wollen nicht nur einfach machen, was ihnen gesagt wird. Sie hinterfragen viel mehr und suchen den Sinn in ihrer Arbeit, auch die Sinnhaftigkeit. Wenn sie das nicht finden, schauen sie nach einem Ausweg, eventuell nach einer anderen Ausbildung oder einem anderen Studium, sich suchen nach einer anderen Perspektive.
Karolina Tomanek: Es muss sich richtig anfühlen, bei dem was man tut, was man arbeitet. Das ist gerade für junge Menschen sehr wichtig. Sie wollen nicht nur den Tag „aushalten“ oder bis zur völligen Erschöpfung arbeiten. Erst wenn die junge Frau, der junge Mann spürt, „hier bin ich richtig“ oder „das fühlt sich gut an“, kann sie/er auch dranbleiben.
Den richtigen Arbeits- oder Studienplatz zu finden ist bei den vielen Möglichkeiten, die es heute gibt, sehr schwierig…
Tomanek: Ja, das ist in der Tat so. Sich ständig entscheiden zu müssen, kann sehr anstrengend sein. Und nicht nur deshalb spielen viele „weiche“ Faktoren eine Rolle: die gute und vertrauensvolle Beziehung zu einer Vorgesetzten, das gute Arbeitsklima, der sichere Arbeitsplatz, die Freude am Arbeitsplatz oder beim Studium. Das alles ist jungen Menschen viel wichtiger als Geld.
Burmeister: Ich möchte sagen, dass jungen Menschen – gerade weil es so viele Möglichkeiten des Studiums oder des Ausbildungsberufes gibt – dringend den Support und die Begleitung von Zuhause brauchen. Im Frei.Raum (ein Treffpunkt für junge Menschen in Studium oder Ausbildung am Münsterplatz in Schwäbisch Gmünd, eingerichtet und begleitet von den beiden christlichen Kirchen), setzen wir deshalb bewusst Unterbrechungen ein, in denen die Sinnfrage gestellt und mit anderen geteilt werden kann.
Ist diese Sinnhaftigkeit demnach entscheidend, ob man sich im Studium oder am Arbeitsplatz wohlfühlt und ein Resilienzfaktor gegen Burnout?
Tomanek: Auf jeden Fall! Das Gefühl, dass ich an meinem Platz etwas „wert“ bin, dass ich gebraucht werde, dass ich auch die Wertschätzung dafür bekomme, das alles gibt einem diesen inneren Zuspruch, der so wichtig ist. Darüber hinaus ist es auch die Bedeutsamkeit, die über mein eigenes Ich hinausgeht. Man hat herausgefunden, dass besonders das Gefühl, etwas für andere zu tun, besonders viel Kraft und Mut gibt.
Kann der christliche Glaube dabei helfen, besser mit psychischen Belastungen, z. B. einem Burnout, zurecht zu kommen?
Burmeister: Jugendliche sind auf jeden Fall offen dafür. Wir merken schon, dass junge Menschen sich im Gebet oder sagen wir, in der Ansprache an Gott, leichter tun, belastende Lebenssituationen auszusprechen. Letztendlich muss das dann jeder für sich selbst herausfinden.
Tomanek: Aus Erfahrung in meinem Beruf als Betriebsseelsorgerin weiß ich, dass Menschen, die glauben (können), anders mit Krisen umgehen, weil sie das Gefühl haben, getragen zu sein.