Meinen Hass bekommt ihr nicht
Benedikt Lang in der Reihe „Wort zum Sonntag“
Heute vor zwei Jahren sind die russischen Truppen in die Ukraine einmarschiert. Und ganz ehrlich, der Rest der Welt sieht nicht viel besser aus. Zumindest das, was in den Medien zeigenswert erscheint. Gerne möchte ich Sie mitnehmen in einen dieser Krisenherde. Aber keine Panik – in eine kleine Friedensoase. 2009 reisten wir mit jungen Studierenden nach Israel und besuchten dort das Friedensprojekt tent of nations. Die Familie von Daoud Nassar, einem christlichen Palästinenser, lebt dort seit über 100 Jahren. Mittlerweile sind sie mehr oder minder eingeschlossen von illegalen jüdischen Siedlungen und müssen um ihr Land kämpfen. Entgegen unzähliger Aggressionen bleiben sie jedoch ihrem Motto treu: Wir weigern uns, Feinde zu sein! Bei all den Angriffen, Rechtsverletzungen und Schikanen hören sie nicht auf, „to transform our frustration and pain into positive actions, believing that things are possible even in an unjust und hopeless situation“.
Wir weigern uns, Feinde zu sein. Immer wieder klingt ihr (Über-)Lebensmotto in mir, in meinem Herzen nach; zwar leise, aber nachhaltig. Denn es inspiriert und ermutigt mich. Ich kenne nämlich die Wut in mir, die sich regelmäßig beim Lesen der aktuellen Nachrichten meldet. Und ich weiß, wie schnell sich der Hass ausbreiten kann. Mit dem Lebensmotto von Dahoud im Ohr gelingt es mir, auch diese Facette in mir liebevoll anzuschauen und mal mehr, mal weniger anzunehmen:
Es ist in Ordnung, dass du da bist, lieber Hass. Das viele unnötige Leid der Menschen stößt dir auf – zum Glück. Es zeigt mir, dass du selbst noch ein Mensch bist. Komm, wir nutzen deine Energie, um etwas zu verändern – und sei es nur im Kleinen, Unscheinbaren. Aber wir, wir bleiben Mensch: mitfühlend, mitleidend, mithoffend, mitliebend. Komm, wir weigern uns, Feinde zu sein, um selbst Mensch bleiben zu können.