Platz für Kinder im Herzen Röttingens
Sibylle Schwenk
Es ist Fastenzeit. Für Christen eine Zeit des Stillwerdens, der Besinnung, der inneren Einkehr. Eine Zeit des Betens. „Davon hatte ich in diesem Jahr noch gar nichts“. Dr. Pius Adiele nimmt seine Brille ab. Der Stellvertretende Dekan des Dekanats Ostalb, der Leitende Pfarrer der Seelsorgeeinheit Kapfenburg und Pfarrer der Kirchengemeinde St. Gangolf in Lauchheim-Röttingen, blickt sehr ernst in die Runde. Seit der Rückkehr aus seiner Heimat in Nigeria am 10. Februar 2024 überschlagen sich hier die Dinge.
Dabei war für Adiele bei seiner Abreise das Projekt Kindergartenneubau in Röttingen schon längst abgeschlossen. „Zum Wohl unserer Kinder dort haben wir uns schweren Herzens für den Rückbau des Klösterles entschieden“, berichtet Adiele.
Und in der Tat: Wer sich dort selbst einmal ein Bild gemacht hat, kann erkennen: Viel Platz gibt es rund ums Klösterle, wo der zweizügige Kindergarten St. Gangolf untergebracht ist, tatsächlich nicht. Das Gelände, mitten im Ort, ist flankiert von Wohngebäuden und wird tangiert von einer Durchfahrtsstraße.
„Wir haben im Kirchengemeinderat auf der Grundlage aller erforderlicher Gutachten und Expertisen alle Möglichkeiten sorgfältig überlegt und sind zu dem Schluss gekommen, dass unsere Kinder an vorderster Stelle stehen und sie genügend Platz zum Spielen und Toben haben sollen.“ Außerdem habe man bei der Entscheidung, die den Erhalt der bisherigen Außenspielfläche von 700 Quadratmetern beinhaltet, auch die Zukunft und die weitere Entwicklung des Dorfes im Kopf. „So können wir eventuell den neuen Kindergarten vergrößern oder neuen, geforderten Standards nachkommen.“
In zig Stunden hat der Kirchengemeinderat alle Fakten auf den Tisch gelegt, hat die Möglichkeiten erörtert, die es gibt. Dabei sind unter anderem Ideen zur Umsetzung gekommen, dass man ein Grundstück zukauft, um den Umzug der Kinder während des Neubaus zu vermeiden. Das Klösterle selbst musste gestützt werden, damit die Kinder weiter dort betreut werden können. Und wer hat das erledigt? „Die Kirchengemeinderäte haben das Gebäude in ihrer Freizeit abgesprießt“, blickt Pfarrer Adiele zurück. Es ist dies nur eine von vielen gemeinsamen Entscheidungen, die der Rat durchaus kontrovers, aber immer in einer fairen Diskussionskultur, getroffen hat.
Pfarrer Adiele hebt immer wieder hervor, wie verlässlich die Kirchengemeinderäte in Röttingen sind. „Wenn man sie ruft, sind sie da, manchmal sogar während der Arbeitszeit“, lässt Adiele wissen.
Pfarrer Dr. Pius Adiele seufzt. Das Angebot eines Aalener Investors hat die Gemeinde am 26. Januar 2024 erreicht. Da war er gerade in Nigeria. Der Kirchengemeinderat hat das Angebot geprüft. Gemeinsam ist man zu der Entscheidung gekommen, dass man es ablehnt, auch wenn es zunächst attraktiv erscheint.
„Gerne hätte ich“, so sagt Pfarrer Adiele, „die Ablehnung in Gegenwart des Investors in Ruhe besprochen und ihm die Gründe nochmal ehrlichen Herzens aufgezeigt.“ Er selbst sei Historiker und es täte ihm um jedes historische Gebäude leid, das abgerissen werden muss. „Wir haben uns in Lauchheim zum Beispiel für den Erhalt und die Renovierung des alten Pfarrhauses entschieden, weil es so großen historischen Wert hat und für die Lauchheimer eine Art Wahrzeichen der Stadt ist“, berichtet Adiele. Gleiches hätte er und der Kirchengemeinderat auch für das Klösterle getan. Doch das Gebäude ist baufällig. Vor allem das Fundament ist fragil, der Untergrund instabil. So sehr, dass nur eine von zwei Firmen, die damals eine Kostenschätzung zur Renovierung abgeben sollten, überhaupt bereit war, ein Angebot zu erstellen.
Das hübsche Klösterle ist nicht zu retten. Die Planungen für den Außenspielbereich sind abgeschlossen, der Neubau in vollem Gange. Diese Fakten gilt es schlichtweg zu akzeptieren. Damit wieder Ruhe einkehren kann im schönen Röttingen.