Oma wusste es
Martin Keßler in der Reihe „Wort zum Sonntag“
Meine Oma war als junge Frau herzkrank und drohte zu sterben. Ein Arzt riet ihr: Ziehen sie auf den Berg, dann werden sie steinalt. Gesagt getan und meine Oma wurde steinalt. Zeit ihres Lebens war der Arzt für sie ein Prophet, denn: Er hat Recht behalten!
Im achtzehnten Kapitel des Buchs Deuteronomium steht genau selbiges. Wenn der Prophet recht behält, spricht er für Gott, wenn nicht ist er ein Scharlatan.
Das Leben wird nach vorne gelebt, letztlich immer mit einem Schritt ins Ungewisse, denn wer weiß wirklich über alles Bescheid. Und meistens müssen wir uns schnell entscheiden, sonst überrollen uns die Ereignisse. Hierzu brauchen wir gute „Schubladen“, die für uns die Vielfalt reduzieren.
Das Leben wird nach hinten verstanden. Das Ergebnis liegt nun vor und jetzt ist die Zeit dem Ganzen eine Bedeutung, einen Sinn zu geben. Jetzt können unterschiedliche Erklärungen abgewogen und ins eigene Weltbild bestätigend oder korrigierend eingebaut werden.
Für meine Oma hat Gott ständig in ihr Leben eingegriffen. So oft, dass es mir als Enkel, mit jugendlichem Widerspruch, zu viel wurde. Wir führten so manche Debatten, die aber meine Oma nie aus ihrer Ruhe brachten.
Heute sage ich „Gott sei Dank“, schließlich hat meine Oma so zwei Weltkriege, etliche persönliche Katastrophen und Krankheiten überlebt. Und: Sonst gäbe es mich nicht – Oma Dankeschön!