Gedanken kommen und gehen lassen
Sibylle Schwenk in der Reihe „kreuz und quer“ der Remszeitung
Die letzten Wochen vor den Sommerferien sind meist noch von vielen Terminen geprägt: Besprechungen bei der Arbeit vor der Sommerpause, Klausuren im Studium, Klassenarbeiten in der Schule – zuletzt auch die Vorbereitungen darauf, dass man für eine kurze Zeit selbst nicht zu Hause ist. Auszeiten, wie auch immer sie aussehen mögen, brauchen wir immer wieder. Als Christen erleben wir Auszeiten auch im Gottesdienst oder im Gebet. Ein Gespräch mit Dekanin Ursula Richter und Dekan Robert Kloker.
Warum brauchen wir Auszeiten?
Robert Kloker: Ich nenne Auszeiten gerne auch „heilsame Unterbrechungen“. Sie sind nötig, weil wie vielfach gefordert sind, immer schneller reagieren müssen. Das kostet Kraft. Deshalb sind Unterbrechungen nötig.
Ursula Richter: Meine Eltern hatten eine Bäckerei und ich kann mich noch gut erinnern, wie wichtig es war, dass am Samstagnachmittag die Rollläden runtergegangen sind. Ein solches Zeichen der Unterbrechung waren auch immer die Kirchenglocken. Wir sollten uns an der Weisheit der Schöpfungsgeschichte orientieren: Gott ruhte am siebten Tag.
Wie kann man sich im Alltag Auszeiten verschaffen?
Richter: Das ist natürlich sehr individuell. Ich finde, man braucht eine Zeit, um Gedanken kommen und gehen zu lassen. Das kann zum Beispiel ein Spaziergang sein, bei dem ich mir bewusst Zeit für mich selbst nehme und Zwiesprache mit meinem eigenen Herzen und mit Gott und der Welt halten kann. Es kann hilfreich sein, sich diese Auszeit als Ritus anzueignen.
Kloker: Ich glaube, dass es gut ist dafür sensibel zu sein, wo der Alltag einem Oasen bietet, wo sich eine Zeit oder ein Ort findet, sich eine Auszeit zu nehmen. Wenn man auch im Alltag kreativ bleibt und nicht nur wie am Fließband arbeitet, dann bieten sich diese Oasen auch.
Als Christen finden wir Auszeiten im Gottesdienst oder im Gebet…
Richter: Jeder Sonntag ist die Einladung für eine Auszeit und dazu, über die eigenen Gedanken hinaus zu kommen und neue Impulse zu erhalten. Genauso kann man Auszeiten im Alltag einbauen. Jesus selbst hat sich immer wieder zurückgezogen. Auf einen Berg, auf ein Schiff, in ein stilles Kämmerlein. Denn in diesen Momenten hat Gott die Chance uns zu berühren.
Kloker: Neben dem reichen Schatz der christlichen Tradition, in Klöstern Meditation und Auszeit zu erleben, können wir in der eucharistischen Anbetung in aller Ruhe vor dem Herrn verweilen. In der Stille vor Gott zu sein, vor einem Größeren zu sein, schafft das Vertrauen, dass ich nicht alleine bin, dass Gott bei mir ist.
Als Liturg achte ich auch darauf, dass es im Gottesdienst Ruhephasen gibt, zum Beispiel nach einem Lied oder der Predigt. Die Zeiten der Stille halte ich für wichtig, um mit Gott im Gespräch sein zu können.
Wie oder wo können Sie sich selbst am besten erholen?
Kloker: Für mich ist die Urlaubszeit ein großes Geschenk. Während ich früher mehr Erlebnis-Urlaube gemacht habe, bleibe ich jetzt lieber in der Nähe. Ich habe für mich auch die ‚Leib-Sorge‘ mehr entdeckt. Dazu gehört das Radfahren, eine gemütliche Runde draußen in der Natur. Dann fühle ich mich einfach wohl.
Richter: Ich habe es mir angewöhnt, im Alltag kurze Momente innezuhalten, sei es vor einem schwierigen Gespräch eine Art Stoßgebet zu formulieren. Oder der Dankbarkeit Raum geben. Außerdem gehe ich meist dreimal am Tag in raschem Tempo eine Runde spazieren. Das ist gut für die Gedanken und man kommt einfach anders zurück. Und auf den Urlaub mit meinem Mann und auf meine Enkelkinder freue ich mich auch sehr. Auch das ist Erholung- ganz anderer Art. Mit Kindern merkt man besser, was wirklich wichtig ist!