Heimat und Aufbruch
Wolfgang Fimpel in der Reihe „Wort zum Sonntag“
Im Juli heißt es für viele Menschen, sich aus der vertrauten Umgebung
zu verabschieden. Die Vorschulkinder und Viertklässler, die Schülerinnen und
Schüler der Abschlussklassen, junge Erwachsene, die ihre Lehre beenden und
die etwas älteren, für die ihr Berufsleben zu Ende geht schauen wohl auch mit
Wehmut auf das Vergangene. Wenn sie gefragt werden, wie es ihnen damit geht,
können sie ihre Empfindungen nicht so leicht in Worte fassen. Zwischen Schlussabschluss
und Studienbeginn befand ich mich in einem Gefühlschaos: rückblickend auf die schöne
Zeit der Kindheit, gegenwärtig immer noch heftig verliebt in eine Mitschülerin und gut
beheimatet in der Clique, vor mir eine Zukunft mit lauter Unbekannten. „Jetzt kannst du
dich neu erfinden“ und „lebe deinen Traum“ waren gutgemeinte Abschiedsworte.
Will ich das? Sich häuten und wandeln, sich entwickeln und verändern tut trotz mancher
Enttäuschung gut. Märchenfiguren wie Hans im Glück, Rotkäppchen oder Hänsel und Gretel
verlassen das Vertraute und reifen an ihren Erfahrungen. Menschen in der Bibel wie Jakob, Rut
und auch Jesus werden für uns erst sichtbar, als sie eigene Wege gehen.
Allen, die mit Bangen und Zweifeln, mit Zuversicht und grenzenlosem Optimismus in die Zeit,
die vor ihnen liegt, blicken, wünsche ich, dass sie gut in der Zukunft ankommen und wieder Wurzeln
fassen. Heimat und offene Gesellschaft schließen sich nicht aus. Allerdings, meint Hermann
Bausinger, lässt sich Heimat nicht konsumieren, sie wird aktiv angeeignet.